Stiftung Wahrheit in den Medien

SYMPOSIUM STIFTUNG WAHRHEIT IN DEN MEDIEN (SWM) seit 1993

Gutbesuchtes, interessantes und unter dem Patronat der Neuen Luzerner Zeitung stehendes Symposium der Stiftung Wahrheit in den Medien (SWM)

vom Samstag, 26. November 2011
Universität Luzern: Hochschule–Wirtschaft

"Die christlichen Konfessionen in den Medien"

Das Thema dieses sehr gut besuchten Symposiums stiess auf grosses Interesse. Zuerst trug Hans-Peter Roethlin seine Sicht der Dinge in einem beeindruckenden und tiefgründigen Referat vor. Anschliessend diskutierten die Herren Willi Anderau (OFMCap), Urs Meier (Evang. ref. Pfarrer), Pius Segmüller (a.Nationalrat), Simon Spengler (Medienbeauftragter der Schweiz. Bischofskonferenz) und Hans-Peter Roethlin unter der Leitung von Dr. Paul Ehinger, Vizepräsident der SWM, und beantworteten Fragen aus dem Publikum.
"Wenn wir uns als Christen nicht mehr zu Wort melden, wer soll es dann noch tun?" – An dieser Feststellung des Hauptreferenten orientierten sich die intensiven Anschluss-Gespräche.




v.l.n.r.:
Hans-Peter Roethlin, Pius Segmüller, Paul Ehinger, Urs Meier, Willi Anderau, Simon Spengler


Referat von Hans-Peter Roethlin
"Die christlichen Konfessionen in den Medien" oder – etwas salopper formuliert "Kirche im Clinch mit den Medien" am Symposium der Stiftung Wahrheit in den Medien (SWM) am 26. November 2011 in Luzern
von Hans-Peter Röthlin

Ich kann rückblickend sagen, dass ich mich eigentlich ein ganzes Berufsleben lang im Spannungsfeld von Kirche und Medien herum geschlagen habe, auf ganz verschiedenen Ebenen. Auf diesem wirklich existenziellen Hintergrund will ich auch unser Thema heute auf eine etwas originelle Weise angehen. Erst zum Schluss werde ich Ihnen dann einige ganz praktische Ratschläge auf den Weg mit geben, die ihnen hoffentlich weiterhelfen. Zuerst aber zum ersten Teil, den ich in fünf Thesen abhandeln möchte.

Erste These: "Die Medien" und "die Kirche" gibt es eigentlich gar nicht als Partner: Es sind immer Menschen, die in den Medien beziehungsweise in der Kirche einander gegenüberstehen und für das, was sie tun, verantwortlich sind.

Das ist eine wichtige grundsätzliche Erkenntnis für das Gelingen der Begegnung zwischen Kirche und Medien: Daran entscheidet sich oft die Glaubwürdigkeit beider Seiten. Es gibt nämlich hüben wie drüben zum vorneherein eine Menge von Vorurteilen und Vorbehalten. Auf kirchlicher Seite sagt man schnell einmal "der böse Junge von der Schweizer Illustrierten" oder "das Teufelsweib vom Blick". Aber dürfen wir von der Kirche aus in der Begegnung mit Medienleuten plötzlich einfach so das Gebot der Nächstenliebe, das bei Jesus ganz hoch angesetzt ist, ausklammern? Dann stimmt doch etwas nicht, oder?

Gleich an meiner ersten Arbeitsstelle als persönlicher Referent des Augsburger Bischofs Josef Stimpfle erlebte ich hautnah dieses Zerwürfnis zwischen Kirche und Medien. Wir reden hier von den frühen siebziger Jahren, kurz nach dem Konzil. Durch die Initiative einer kirchlichen Jugendgruppe, die für ein Krankenhaus in Kamerun in der Innenstadt von Augsburg Erdnüsse verkaufen wollte, nahm ich Kontakt auf mit dem Lokalredaktor der Augsburger Allgemeinen Zeitung, die eine totale Monopolstellung dort innehat, und bat ihn, diese Aktion der Jugendlichen mit einer Ankündigung im Lokalteil zu unterstützen. Er zeigte sich sehr kooperativ, und als er auf Nachfrage merkte, dass ich ein enger Mitarbeiter seines Bischofs war, da klagte er mir sein Elend: "Wir haben überhaupt keinen direkten Kontakt zum Bischof, denn die im Ordinariat blocken das regelmäßig einfach ab! Können Sie mir da nicht helfen?" Ich antwortete ihm: "Klar kann ich, ich werde noch heute Abend mit dem Bischof darüber sprechen".


Das tat ich denn auch. Bischof Stimpfle hörte mir aufmerksam zu. Dann meinte er nur: "Das ist schon eigenartig. Auch ich will seit Jahren mehr Kontakt mit dieser Zeitung, aber irgendwie ist der Wurm drin. Weißt du was? Ich mache dich jetzt einfach zu meinem Informationsbeauftragten für das ganze Bistum Augsburg und damit zu meinem persönlichen Verbindungsmann zu dieser für uns so wichtigen Tageszeitung!" Gesagt getan. Und vier sehr wertvolle Jahre der engsten Zusammenarbeit waren die Frucht. Hier ein Beispiel unter vielen.

Mein wichtigstes Prinzip war von Anfang an, meine Informationen über das Leben der Kirche immer dem je zuständigen Redaktor persönlich vorbeizubringen, zumal die gesamte Redaktion der Zeitung gerade nur ein Katzensprung von meinem Büro entfernt lag. So lernte ich auch den damaligen für die Bayern-Seite zuständigen Redaktor kennen und schätzen. Wir verstanden uns immer besser in der sachlichen Zusammenarbeit, auch in schwierigen Fällen…

Eines Tages erhielt ich schon morgens um acht Uhr einen Anruf von ihm - eine für Journalisten eher ungewöhnlich frühe Zeit… Er war sehr aufgeregt, ja verzweifelt und sagte mir wörtlich: "Ich habe gestern Abend im Nachttischchen meines älteren Sohnes Haschisch-Platten und mehrere hundert D-Mark gefunden. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen! Ich kenne durch meine Arbeit sehr viele einflussreiche Leute in der Stadt, aber ich traue mich nicht, mich an einen von ihnen zu wenden - er würde das früher oder später ausnützen! Deshalb rufe ich Sie an." Aus diesem Anruf entwickelte sich eine langjährige Freundschaft zwischen uns beiden, die bis heute anhält. Auch der Bischof wurde ins Vertrauen gezogen und hat entscheidend beigetragen, dass die Eltern und der jüngere Sohn schließlich auch über den Jahre später durch Überdosis erfolgten Tod des älteren Sohnes hinweg kamen…

Zweite These: Für die Kirche gilt, was auch für alle anderen Organe öffentlichen Rechtes gilt: die Verpflichtung zu einer offenen Medienpolitik.

Man kann nicht auf die Einnahme von Kirchen-Steuern beharren, wenn man von kirchlicher Seite nicht auch ganz offen über die eigene Tätigkeit berichtet. Dabei geht es nicht nur um Finanzielles… Beim Papstbesuch 1984 haben die Schweizer Bischöfe dafür ein lobenswertes Beispiel abgegeben. In einer der vorbereitenden Sitzungen ging es um die Verteilung der Aufgaben für den Papstbesuch, der ja ein Unternehmen gigantischen Ausmaßes war!

Präsident Schwery, damaliger Bischof von Sitten, teilte mir als dem Informationsbeauftragten der Schweizer Bischofskonferenz die Aufgabe zu, mich um die Medien zu kümmern mit allem, was dazu gehörte. Auch wenn ich an allen Sitzungen der Bischöfe jeweils teilnahm, habe ich mich nur sehr selten zu Wort gemeldet. Diesmal tat ich es aus innerster Überzeugung und sagte: "Danke für Ihr Vertrauen für diesen verantwortungsvollen Auftrag in einem sensiblen Bereich. Gerne sorge ich für die rechtzeitige Beschaffung aller nötigen Informationen, die die Medien brauchen, wie zum Beispiel den Wortlaut aller Interventionen während des Besuches und aller Übersetzungen, insbesondere der Papstansprachen. Aber eines kann ich nicht leisten. Vergessen Sie nicht, dass Sie als Bischöfe die Gastgeber des Heiligen Vaters sind! Die Medien - und nicht nur die katholischen - werden deshalb sie alle angehen mit der Bitte, ein Grußwort zu schreiben oder ein Interview mit vielleicht auch unbequemen Fragen zu geben. Das kann ich Ihnen nicht abnehmen. Ich kann also diesen Auftrag nur annehmen, wenn sie mich in diesem Punkt nicht im Stich lassen und auf jede Anfrage positiv antworten."

Diese Worte sind damals stark eingefahren! Bischof Schwery hat in die Runde geschaut und gesagt: "Sie haben gehört, was unser Informationsbeauftragter gesagt hat. Sind wir dazu bereit?" Er schaute der Reihe nach alle Bischöfe an - und jeder einzelne nickte mit dem Kopf. Schließlich wandte er sich an mich und meinte: "Sie haben gesehen, alle haben genickt, auch ich tue das - sie können sich auf uns verlassen!" Und das stimmte! Als Präsident hat allein Bischof Schwery damals 35 Grußworte geschrieben und Interviews gegeben - und auch kein anderer Bischof hat gekniffen, wenn er um eine Stellungnahme oder ein Interview gebeten wurde. Auch ein Grund, warum der Papstbesuch in unserem Lande damals ein so unerwarteter Erfolg wurde!


Dritte These: Eine entsprechende Medienschulung der kirchlichen Amtsträger ist eine dringende Forderung der Gegenwart.

Später wurde Othmar Mäder, der damalige Bischof von St. Gallen, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. Er war ein Naturtalent für Medienauftritte. Fast nach jeder Bischofskonferenz gab es am Donnerstag in Bern eine Pressekonferenz mit oft hoher Beteiligung seitens der Medien. Auch die Tagesschau war meistens da, schon weil Bischof Mäder es brillant verstand, die vorgegebene Zeit von vielleicht eineinhalb oder zwei Minuten perfekt einzuhalten!

Wir haben zu meiner Zeit in regelmäßigen Abständen auch professionelle Medienschulungen mit den Bischöfen abgehalten, vor allem für Fernseh-Auftritte. Nach so einer praktischen Weiterbildungsmaßnahme folgte routinemäßig die Pressekonferenz mit Beteiligung auch der Tagesschau, für die Bischof Mäder als Präsident ein Statement abgab. Die Kamerafrau war schon aufnahmebereit, die Scheinwerfer eingeschaltet - da lächelte der Bischof und entschuldigte sich mit den Worten: "Warten Sie bitte noch einen Moment. Man hat mir bei der Medien-Schulung dringend geraten, meine TV-Auftritte ohne meine Brille zu drehen." Hintergrund dieses Rates war die fatale Tatsache, dass sich seine Brille unter dem grellen Scheinwerferlicht schnell stark dunkel verfärbte, so dass sein Gesicht immer mehr wie das eines verkrachten südamerikanischen Diktators wirkte…

Am Abend schaute ich mir die Tagesschau an - und tatsächlich war der Beitrag von Bischof Mäder in jeder Hinsicht perfekt ohne Brille. Tags darauf rief ich den Bischof an und machte ihm ein ehrliches Kompliment. Er lachte und erwiderte: "Ja, sie können gut reden. Aber ich bekam nach der Ausstrahlung gestern Abend einen Anruf von meinem Optiker mit der enttäuschten Frage, ob ich denn in der Öffentlichkeit nicht mehr zu seiner Brille stünde."

Vierte These: Journalisten, die mit der Berichterstattung über Vorgänge in der Kirche beauftragt werden, sollten über eine grundlegende Sachkompetenz auf diesem Gebiet verfügen und sich auch entsprechend weiterbilden.

Sie werden mit Recht einwenden, dass da die Kirche wenig Einfluss nehmen kann. Das stimmt. Aber mit etwas Klugheit können die Verantwortlichen von Redaktionen schon überzeugt werden, dass Sachkompetenz für den kirchlichen Bereich durchaus auch in ihrem Sinne wäre. Jedenfalls ist es damals immerhin gelungen, im Rahmen von ohnehin geplanten Weiterbildungsmaßnahmen für junge Nachwuchsjournalisten bei der Augsburger Allgemeinen auch das Thema "kirchliche Sachkompetenz in der Berichterstattung" einzubeziehen: Und einer der Augsburger Weihbischöfe hat das mit großer Bravour auch hingekriegt! Denn keiner Presse gefällt es, sich zu blamieren - das ist schwer geschäftsschädigend! Wie zum Beispiel der Kapitalfehler in der Berichterstattung der Thurgauer Zeitung mit der Überschrift "Papst Amedée Grab wurde Weihbischof in Genf" oder die Bild-Unterschriften bei der Allgäuer Zeitung, wo die Bilder von der Firmung durch den Bischof mit den Bildern der preisgekrönten Stiere auf der Alp irrtümlich vertauscht worden waren… Klar ist aber auch, dass solch krasse Ausrutscher wirklich nicht als Böswilligkeit ausgelegt werden sollten!

Fünfte These: Um den Ansprüchen der ersten vier Thesen gerecht zu werden, sind möglichst breite und intensive gegenseitige Kontakte zwischen Leuten der Kirche und Medien wichtig. Das persönliche Gespräch zwischen Vertretern von Kirche und Medien sollte von beiden Seiten regelmäßig und zusätzlich noch vor wichtigen Ereignissen gesucht werden.

Hier haben wir nach wie vor großen Lernbedarf! Und hier komme ich jetzt auch zu den ganz konkreten Tipps für die Vertreter der Pfarreien und für uns alle als katholische Normalverbraucher der Medien.

Mein Bruder ist Bild- und Textjournalist. Ein Profi. Er hat mir folgende Begebenheit erzählt. Er saß im Café, las seine Zeitung und weidete sich an den Früchten seiner eigenen Arbeit: Er war damals nämlich Polizei-Berichterstatter beim Zürcher Tagesanzeiger. Plötzlich horchte er auf und hörte zufällig ein Gespräch mit, dass drei Lastwagenfahrer miteinander am Nebentisch führten. Einer von ihnen beschwerte sich lautstark über eine Falschmeldung im Tagesanzeiger. Mein Bruder spitzte die Ohren. Es ging um einen Unfall, den dieser persönlich beobachtet hatte. Nur hatte er es völlig anders gesehen, als es nachher in der Zeitung stand: Nach ihm lag ganz klar die Schuldfrage gerade umgekehrt. Den Zeitungsbericht hatte mein Bruder geschrieben auf der ihm anvertrauten Seite "Unglücksfälle und Verbrechen". An dem Punkt geschah etwas Eigenartiges. Was immer der Mann auch sagte und erklärte, die anderen glaubten ihm nicht. Sie schmetterten ihn buchstäblich ab mit der Begründung: Wenn das im Tagi so stand, dann stimmt es auch, sonst hätten sie es ja nicht geschrieben! Und der Augenzeuge verstummte schließlich völlig verunsichert.

Meinen Bruder hat das damals sehr beeindruckt und nachdenklich gemacht. Er ging ins Büro zurück und fand dort bereits die Reklamation der Zürcher Stadtpolizei über eben jenen Unfallbericht vor mit der Forderung einer Gegendarstellung – mein Bruder war offensichtlich selber auch einer Falschmeldung aufgesessen - der Lastwagenchauffeur hatte also recht gehabt, nicht der Tagi!

Mir wiederum gibt der Fall zu denken, weil er anschaulich eine Beobachtung belegt, die mich mehr und mehr alarmiert: Wir sind offensichtlich inzwischen so weit, dass wir den Medien im Prinzip mehr glauben als den Menschen - ob diese bekannt oder unbekannt sind. Das ist zwar verständlich, aber deshalb nicht weniger tragisch, weil es unser Zusammensein vergiftet, auch in der Kirche. Zudem gründet eine solche Haltung auf einem krassen Denkfehler: Nicht der "Tagi" sagt oder schreibt etwas - es ist immer derjenige Journalist oder diejenige Berichterstatterin, die ihre mehr oder weniger kompetente Sicht eines Sachverhalts vermittelt. Ein Mensch also, dessen Bericht bestimmt nicht mehr wert ist als das Wort eines Augenzeugen, eines Wachmanns oder einer Spezialistin auf dem betreffenden Gebiet.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will bei Leibe hier nicht den Berufsstand der Journalisten in Misskredit bringen - ich bin ja selber einer! Aber es ist schon wahr: Ich habe an Zeitungen, Radio und Fernsehen genauso lange geglaubt, bis ich selber dafür gearbeitet habe! Seit dem Zeitpunkt stehe ich in einer - wie mir scheint - gesunden kritischen Distanz zu all dem, was mir die Medien vermitteln. Mir ist heute klar, wie jede Meldung, jeder Bericht und besonders jeder Kommentar von der oft sehr subjektiv-persönlichen Sicht des Berichterstatters abhängen. Nicht aus bösem Willen, sondern weil es gar nicht anders geht: eben weil wir Menschen sind!

Es tut mir leid, das klingt alles sehr ernüchternd. Wie wahr das aber ist, können sie leicht selber feststellen. Oder ist es Ihnen noch nie passiert, dass Sie am Telefon etwas sagten, was Ihr Gesprächspartner völlig missverstand oder sogar "in den falschen Hals" bekam ; oder dass Sie brieflich etwas mitteilen wollten, das Sie einfach nicht richtig ausdrücken konnten. Ich habe jedenfalls schon manchen Brief geschrieben, wo ich unbedingt darauf angewiesen war, dass er vom Empfänger mit Verständnis und Liebe gelesen wurde, um richtig verstanden zu werden.

Ein zweiter Tipp. Haben Sie Mut zum Leserbrief oder zur Zuhörerreaktion, wenn sie etwas stört an der Berichterstattung. Auch ein persönlicher Brief an den betreffenden Redaktor kann manchmal Wunder wirken. Am besten ist jedenfalls eine schriftliche Stellungnahme. Unterschätzen Sie die Wirkung ihrer Reaktion auf die Redaktion nicht, wenn Sie sachlich und persönlich motiviert schreiben, und nicht einfach nur Ihrem Ärger Luft machen. Warum eigentlich nicht auch einmal schreiben, wenn eine wirklich gelungene Sendung oder ein sehr lesenswerter Artikel kam? Das hilft nämlich den Verantwortlichen!

Ein dritter Tipp. Haben Sie Mut, christliche Positionen auch konkret vor Kamera und Mikrofon zu vertreten. Ich hielt einmal ein Referat, so ähnlich wie heute, bei einem Fortbildungsseminar von über 200 Ordensschwestern. Anschließend gab es Gelegenheit für Fragen. Eine Schwester erzählte, dass sie auf dem Weihnachtsmarkt von zwei jungen Leuten mit langen Haaren angesprochen worden sei mit der Frage für das Lokalradio, was für sie den Weihnachten eigentlich bedeute. Da habe sie weggeschaut und sei ganz schnell weiter gegangen… Wen wundert's, dass sich die gleiche Schwester fürchterlich darüber geärgert hat, was da in der Sendung am gleichen Abend alles über Weihnachten gesagt wurde! Wenn wir als Christen uns nicht mehr trauen, unseren Standpunkt öffentlich zu vertreten, wer soll es dann eigentlich noch tun?

Ein vierter Tipp. Ein weiteres gutes Mittel, etwas für eine konstruktive Öffentlichkeitsarbeit zu tun, ist ganz einfach positive Veranstaltungen, sogenannte Events zu schaffen und an die Medien weiterzugeben. Einer meiner meistgelesenen Artikel kam so zu Stande. In der Augsburger Allgemeinen vom 8./9. Dezember 1973 stand in einem Kasten mitten drin in der Seite für Lokales ein grosser Titel "Bischöfe und Bösewichter": (ich zitiere)

Recht abenteuerliche Seiten hatte der zehntägige Rom-Aufenthalt der drei Augsburger Bischöfe anlässlich ihres Besuches bei Papst Paul VI. Bischof Dr. Josef Stimpfle entpuppte sich dabei auch als - wie sich seine beiden Reisegefährten begeistert ausdrückten - "exzellenter Rom-Kenner". Neben halsbrecherischen Taxifahrten am autofreien Sonntag blieben sie in einem altertümlichen vatikanischen Aufzug stecken. Teuer zu stehen kam dem Trio die allzu enge Tuchfühlung mit der römischen Stadtbevölkerung in der überfüllten Metro des verschneiten Roms. Nach der Fahrt mussten Bischof Stimpfle und Weihbischof Müller feststellen, dass ihre Geldbörsen aus der Hosentasche verschwunden waren - und das trotz Mantel und Talar… Trockener Kommentar von Weihbischof Schmid: "So sparsam habe ich euch beide noch nie drein schauen sehen!" Den krönenden Abschluss dieses Vorfalls bildeten die Worte aus der Heiligen Schrift bei der anschließenden Eucharistiefeier, wo es hieß: "Nehmt euch in acht vor Bösewichtern!" Und an einer anderen Stelle: "Nehmt auf die Reise keine Geldbeutel mit!"



Hans-Peter Roethlin referiert zum Thema: "Die christlichen Konfessionen in den Medien" - etwas salopper formuliert "Kirche im Clinch mit den Medien"

Ich selber war zu dieser Information gekommen, weil die drei Bischöfe am Abend ihrer Rückkehr das ganze Domkapitel zu einem Abendessen eingeladen hatten und dort diese Story erzählten, die ich heimlich auf einer Papierserviette mitschrieb. Übrigens hat mein Freund von der Bayernseite diese Geschichte auch dort noch gebracht mit dem Resultat, dass der Bischof, wohin er auch immer in seiner Diözese zum Firmen ging, darauf angesprochen wurde und zum Trost Geld und Geldbeutel geschenkt bekam - und eine Menge von Sympathien! Ich glaube, es war das erste Mal, dass er wirklich begriff, was ein guter Medienauftritt an positiven Impulsen in der Öffentlichkeit auslösen kann!

Fünfter Tipp. Bei Platon fand ich eine höchst bemerkenswerte Begebenheit, die ich Ihnen nicht nur für den Umgang mit den Medien, sondern auch für Ihre Gespräche und Begegnungen überhaupt weitergeben möchte.

Zu Sokrates kam einer gelaufen, der voller Aufregung war. "Höre, Sokrates, das muss ich Dir erzählen, wie Dein Freund…" "Halt ein!" unterbrach ihn der Weise, "hast Du das, was Du mir sagen willst, vorher durch die drei Siebe gegeben? Lass sehen, ob das, was Du mir zu sagen hast, durch die drei Siebe hindurch geht. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast Du alles, was Du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?" "Nein, ich hörte es erzählen und…" "So, so! Aber sicher hast Du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist das Sieb der Güte. Ist das, was Du mir erzählen willst - wenn es nicht schon als wahr erwiesen - so doch wenigstens gut?" Zögernd sagte der andere: "Nein, das nicht, im Gegenteil…" nachdenklich unterbrach ihn der Weise: "So lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden und lass uns fragen, ob es notwendig ist, das zu erzählen, was Dich so erregt". "Notwendig nun gerade nicht…", entgegnete der andere. "Also", lächelte der Weise, "Wenn das, was Du mir erzählen willst, weder wahr, noch gut, noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste Dich und mich nicht damit."

Ich will mein Referat mit einem Gebet abschließen, das ich in einer Schrift von Carlo Kardinal Martini gefunden habe. Es fasst praktisch all das zusammen, was ich Ihnen eigentlich sagen wollte:

Mach, o Herr,
dass die Antennen und Kirchtürme
miteinander zu sprechen verstehen.
Hilf deiner Kirche,
das Volk des Dialogs zu sein,
das dazu fähig ist,
im eigenen Inneren und mit allen Menschen
zu sprechen und Kommunikation zu üben.
Mach, dass wir verstehen, uns selbst zu bilden und
einen freien und befreienden Gebrauch
der Medien heranzubilden,
damit wir
auf prophetische Weise in ihnen
den Mantelsaum deines Sohnes
erkennen und erschließen,
der für uns Mensch geworden ist.
Gib uns deshalb Menschen, die fähig sind,
in ihrem Leben
Antennen und Kirchturm zu verbinden,
die der gegenwärtigen Welt treu sind
und ebenso treu wie dem versprochenen Vaterhaus:
Menschen, die im Stande sind, diese beiden Treueversprechen
mit Professionalität und Liebe zu verbinden.
Amen.


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Podiumsgespräch und Publikumsdiskussion


Kirche als System – Medien als System – Der Mensch
Die Podiumsteilnehmer waren sich darin einig, dass man von der "Kirche als System" und von den "Medien als System" (Meier) sprechen müsse. Letztlich aber gehe es immer um den Menschen. Die Medienschaffenden bewegen sich auf einer ganz anderen Ebene als die Kirche (Segmüller). Dabei – so Simon Spengler- seien bei beiden Systemen immer wieder Stärken und Schwächen, positive Leistungen ebenso wie Fehler und unfaires Verhalten festzustellen. Als positive Leistung wertete Simon Spengler u.a. jenes Interview, welches das deutsche Wochenmagazin DER SPIEGEL kürzlich mit Thomas Gottschalk führte (Ausgabe Nr 47, 21.11.2011, www.spiegel.de, Seite 50ff.) und in welchem dieser berühmte Fernsehmoderator offen und überzeugend über sein "katholisch-Sein" Auskunft gibt.
Willi Anderau wies u.a. auf die päpstliche Enzyklika "Communio et progressio" hin, die vor 40 Jahren herausgegeben wurde und in welcher sich die katholische Kirche zu einer offenen Medienpolitik bekennt. Diese Offenheit müsse allerdings mit dem Personenschutz einhergehen.

Ein besonderes Anliegen: Förderung des Grundwissens über kirchliche Anliegen bei den Medienschaffenden einerseits und der Leser-/Zuhörerschaft andererseits
"Das christliche ABC" – so Urs Meier – müsse wieder vermehrt zu den Medien gebracht werden. So wie viele Christinnen und Christen unserer Zeit viele christliche Gebote, Einsichten und Weisheiten nicht mehr verstünden, so fehle es auch bei den Medien-schaffenden oft und immer wieder am Grundwissen. Meier will diese Feststellung keineswegs als Vorwurf, sondern als Hilfe und Unterstützung zugunsten fundierter Berichterstattung verstanden wissen. Die Podiumsteilnehmer stellten übereinstimmend fest, dass in Sachen Aus- und Weiterbildung der Medienschaffenden, welche schwergewichtig über kirchlich-religiöse Fragen berichteten, schon wichtige Anstrengungen unternommen und weiter intensiviert werden. Dabei brauche es die nichtgebundene Meinungspresse auf jeden Fall. Lobend erwähnte Hans-Peter Roethlin das Verhalten der BLICK-Redaktion, welches diese anlässlich des Papstbesuches in der Schweiz im Jahre 1984 gezeigt hatte: Der BLICK brachte damals auf der Seite 3 eine Vorschau über den Papstbesuch. Auf der gleichen Seite war das einigermassen leichtbekleidete "BLICK-Girl" zu sehen. In seiner Funktion als damaliger Medienverantwortlicher der Schweizerischen Bischofskonferenz intervenierte Roethlin beim Chefredaktor des BLICK und dieser ging in einem konstruktiven Gespräch auf die Forderung der Kirche ein, hinfort die Dinge klarer zu trennen.

Sind die Priester, Pastoren und Laienhelfer/-innen bald nur noch "Öffentlichkeitsarbeiter"?
Natürlich habe die katholische Kirche – so Simon Spengler – mehr als zweitausend Jahre Erfahrungen mit Bildern und "Kürzest-Texten". Aber dennnoch leide sie heute unter einem "verkrampften Verhältnis" zu den Medien. Deshalb seien die in der Kirche engagierten Verantwortlichen bald mehr Öffentlichkeitsarbeiter als Seelsorger – wobei Letzeres ja ihre primäre Aufgabe sei. Um dieses Verhältnis zu entkrampfen, müsse "das Gefäss der Informationen, Orientierungen, Darlegungen usw." – so Hans-Peter Roethlin – "nicht nur voll sondern müsse Alles, was die Kirche sagt, wahr sein!" Diese Sicht der Dinge hätten vor Kurzem (und erstmals in dieser Deutlichkeit!) die slowakischen Bischöfe und die Kardinäle bei einem Treffen in Rom festgehalten und eingebracht.

Wie berichten die Medien über christliche (konfessionelle) Anliegen ?
Simon Spengler: Wir sind über die Art und Weise der Berichterstattung nicht ganz zufrieden. Aber Jammern nützt nichts. Wir müssen uns so ausdrücken, dass die Menschen uns verstehen und dass wir ihren Geist und ihre Herzen zu berühren vermögen.
Willi Anderau: Das Verhältnis "Kirche und Medien" ist eindeutig besser geworden. Letztlich kann die Kirche kein besseres Bild vermitteln, als jenes dass sie selber abgibt. Die Kirche funktioniert an sich zentralistisch und sie hat deshalb Mühe, sich in den Dialog einzubringen. Wenn jede (auch negative -) Berichterstattung als Angriff empfunden wird, dann gibt es fast zwangsläufig Fehler. Das Christentum ist zu forcieren – es muss offen und selbstbewusst auftreten!
Meier: Es ist ganz klar, dass die christlichen Kirchen an gesellschaftlicher Bedeutung verloren haben. Dieser Erosionsprozess schlägt sich in den Medien, bzw. in deren Berichterstattung eindeutig nieder. "Soviel (oder sowenig) seid Ihr noch wert!" – halten die Medien fest und berichten entsprechend.
Segmüller: "Wir sollen und müssen statt "über den Glauben" wieder vermehrt "aus dem Glauben heraus" berichten!"

Die rege benutzte Publikumsdiskussion wurde beim anschliessenden Apéro fortgesetzt. Der Anlass darf – wie alle bisherigen SWM-Symposien auch – als überaus interessante und bereichernde Begegnung in die Annalen der Stiftung Wahrheit in den Medien (SWM) eingehen.
Der Stiftungsrat der Stiftung Wahrheit in den Medien (SWM) und der Vorstand des Fördervereins für wahrheitsgemässe Information danken dem Hauptreferenten, den Podiumteilnehmern und den vielen Gästen für die engagierte Mitarbeit und das Interesse herzlich.
Es besteht die Absicht, das nächste SWM-Symposium am Samstag, 24. November 2012, ab 1000 Uhr wiederum in Luzern durchzuführen. Dieser Anlass wird dem Anschluss-Thema "Die grossen Weltkonfessionen in den Medien" gewidmet sein. Während am Symposium 2011 die christlichen Konfessionen im Fokus standen, werden es 2012 u.a.das Judentum, der Islam und der Buddhismus sein.

 

Februar 2012: Hermann Suter, Präsident SWM.