Stiftung Wahrheit in den Medien

Geschichtsklitterung im Bundeshaus> Dr. Paul Ehinger, Vizepräsident der Stiftung Wahrheit in den Medien

Man weiss es nachgerade, dass mit der Schweizer Geschichte in den letzten Jahren unsorgfältig umgegangen wird. Das fiel vor allem bei der Arbeit der Unabhängigen Expertenkommission (UEK) auf. Das Meiste, was zu den Thesen der Kommission Bergier passte, wurde berücksichtigt. Aus dem grossen Steinbruch der Vergangenheit, pickte sie jene Steine aus, welche in ihr Konzept passte. Es scheint evident, dass in einigen Dezennien eine UEK eingesetzt werden muss, welche diese Arbeit zu untersuchen hat. Positiv zu vermerken ist, dass es der Bergier-Kommission nicht gelungen ist, die Wahrheit zu verdrängen. Nicht nur wegen des Nachweises ihrer teilweise falschen Behauptungen, sondern weil in den letzten Jahren auch einige Studien publiziert wurden, welche einerseits fundierte Kritik übten, andererseits die Fakten wahrheitsgemässer darstellten. Auch die Medien sind von einer anfänglichen unkritischen, ja euphorischen Haltung zu einer differenzierteren Haltung übergegangen.

Aber die Geschichtsklitterung hat deswegen nicht aufgehört. Jüngstes Beispiel: die Rehabilitierung der sog. „Spanienkämpfer“. In der Wintersession 2008 ist der Nationalrat einer entsprechenden parlamentarischen Initiative mit 130 gegen 32 Stimmen bei 13 Enthaltungen gefolgt. Diese Frage wurde schon nach Ende des spanischen Bürgerkrieges 1939 thematisiert, und seither nochmals fünf Mal. Es geht um die etwa 800 Schweizer, welche in Spanien „für die Freiheit und die Demokratie“ kämpften.

Doch halt! Hier beginnt die Geschichtsklitterung. Es würde zu weit führen, die ganze Geschichte jener düsteren Zeit zu rekapitulieren. Zweifelsohne hat General Franco rebelliert. Aber man muss auch die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit berücksichtigen. Die bei den Wahlen vom 16. Februar 1936 siegreiche Volksfront bestand aus linksliberalen Republikanern, aus Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten.* Namentlich die beiden letztgenannten Parteien, die PCE und die POUM, strebten alles andere Freiheit und Demokratie an.

Es ist aber nicht zu übersehen, dass die grosse Mehrheit der 800 Schweizer diesem antiliberalen Lager zuzurechnen war. Sicher: Es gab auch unter ihnen Idealisten, aber sie liessen sich missbrauchen, wie so viele gutgläubige Kommunisten vor und nach ihnen. Ebenso undiffererenziert sind die Behauptungen, sie hätten „gegen den Faschismus von General Franco“ gekämpft. Das sog. nationale Lager setzte sich zusammen aus Liberalen, Konservativen, Faschisten u.a.. Dabei waren letztere eine kleine Partei, welche Franco machtpolitisch instrumentalisierte. Zumindest so hätte im Nationalrat differenziert werden müssen, ohne dass man etwa für Franco eingetreten wäre. Denn, auch dies sei betont: Franco war ein Diktator, der hunderttausende Menschen auf dem Gewissen hat.

Nun sind die 800 rehabilitiert. Aber zumindest hätte man von der Grossen Kammer und auch von Bundesrätin Widmer etwas mehr historische Kenntnisse und Differenzierungvermögen gewünscht. Auch vom Bundespräsidenten Couchepin, der sich im FDP-Organ sogar zur Meinung verstieg, die Spanienkämpfer hätten „aus einer liberalen Geisteshaltung gegen Diktatur und Faschismus gekämpft“. Auch die Medien hätten sich mir der Angelegenheit kritischer befassen müssen. Aber es ist leider schon so: Die meisten Journalisten und Redaktoren haben höchstens Rückschaukapazitäten, die auf ein Dezennium befristet sind.

Die nationalrätliche Mehrheit mag dennoch recht haben, dass die Strafurteile, die damals von Militärgerichten wegen fremder Kriegsdienste gefällt wurden, sich nicht mehr mit dem heutigen Gerechtigkeitsempfinden vereinbaren lassen. Deshalb werden sie rückwirkend aufgehoben. Das ist letztlich gut so, und den fünf Überlebenden sei dies gegönnt.

* Vgl. Javier Tusell: Las elecciones del Frente Popular en Espana, 2 Bde., Madrid 1971.